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CINEMATOGRAPHER

Kinematograf:innen sind für die visuelle Umsetzung eines Films verantwortlich. Sie besitzen ein breites Wissen in Technik, Ästhetik und Dramaturgie und bringen ihre künstlerischen Fähigkeiten in jedes Projekt mit ein.

1. VORWORT

In Zeiten weltweiter Ausdehnung der audiovisuellen Medien und in dem Versuch aller Beteiligter, an der zunehmenden Nutzung ihrer Werke zu partizipieren, hat der Verfasser dieses Berufsbild bereits 1983 als Grundlage der urheberrechtlichen Strategie des BVK erstellt und regelmäßig aktualisiert. Es konzentriert sich auf die Anteile der Kinematograf:innen/DoP* an der künstlerischen Gestaltung von Filmwerken und bezieht sich vorrangig auf die Tätigkeiten und Merkmale, die im Rahmen der gemeinsamen Gestaltung eines Filmwerkes im kreativen Team regelmäßig und in wesentlichem Umfang im Verantwortungsbereich der Kinematografie liegen und als berufstypisch angesehen werden müssen. Da sich dieses Berufsbild im Laufe der Filmgeschichte verändert hat und regionalen Unterschieden unterliegt, dient die Situation in Deutschland als Grundlage, es wird aber auch auf Besonderheiten im Ausland hingewiesen.
(* „:innen“ ist  hier genderneutral zu verstehen)

2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

Der im deutschen Sprachgebrauch bisher übliche, aber sehr allgemein gefasste Sammelbegriff „Kameraleute“ umfasst unterschiedliche Tätigkeiten, die sich wie folgt abgrenzen lassen:

Aufnahme von „Laufbildern“ (i.S.d.UrhR) wie z.B. Sport- und Liveübertragungen, Shows, aktuelle Berichterstattung, Interviews und ähnliche Formate (vergleichbar der Bildreportage),

Kinematografie als filmisch-künstlerische Bildgestaltung im Bereich von Film-„werken“ (i.S.d.UrhR) wie inszenierten, meist fiktionalen Film-, Fernseh- und Videowerken, insbesondere bei Kino-Spielfilmen, Fernsehspielen und -Serien, Werbung, aber auch bei gestalteten Dokumentar- und Industriefilmen (hier vergleichbar mit den Lichtbildner:innen).

Nur mit diesem zweiten Tätigkeitsbereich befasst sich dieses Berufsbild.

Doch auch mit dieser Einschränkung umfasst der deutsche Begriff „Kameraleute“ auch bei Filmwerken immer noch höchst unterschiedliche Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche.

Sind „Kameraleute“ generell „Personen an der Kamera“? Stehen sie an einer von vielen Kameras einer Action-Szene oder einer Fernsehaufzeichnung, sind sie nur die Operators, die eine Kamera auf Anweisung bewegen oder sind es die „Chefkameraleute“/DoP, die für die Bildgestaltung eines Filmwerkes insgesamt verantwortlich sind, die entsprechend im Titel genannt werden und unter deren Anweisung vielfach noch weitere, untergeordnete Kameraleute und -teams arbeiten? Die historische deutsche Berufsbezeichnung liefert hier leider keinen Hinweis. Im internationalen Bereich hingegen wird diese Verantwortlichkeit schon sprachlich klargestellt:

Die für die Bildgestaltung verantwortlichen „Kameraleute“ werden allgemein als Cinematographers (z.B. American Society of Cinematographers ASC), also entsprechend als Kinematograf:innen bezeichnet. In der Chefposition werden sie zur Klarstellung ihrer übergeordneten Verantwortlichkeit auch als „Director of Photography“ (DoP, zumeist in Europa bzw. DP in den USA), oder entsprechend

„Directeur de la Photographie“ (Frankreich), „Direttore della Fotografia“ bzw. “Autore della Fotografia” (Italien und Spanien) bezeichnet,

was als „Bildregie”, „Bildgestaltung” oder „Bildurheberschaft” zu übersetzen ist. In diesem Berufsbild ist deshalb die Bezeichnung DoP nur für Kinematograf: innen in der Leitungsposition zu verstehen.

So wird in den wichtigsten Film-Nationen der Welt den leitenden Kinematograf:innen bzw. DoP entsprechend ihrer tatsächlichen Bedeutung schon im Sprachgebrauch die Stellung einer „Co-Regie” („Director“) verliehen.

Getrennt hiervon werden Mitarbeitende des Kamerateams sowie Kameraleute, die weisungsgebunden unter der Leitung des „Chefkameramannes” (DoP) arbeiten, deren Aufgaben stärker im technisch-manuellen, untergeordneten und weisungsgebundenen Bereich liegen, weltweit als „cameraperson”, „operating cameraperson”, „operateur”, „cadreur”, „operatore” und „assistant camera” bezeichnet. In Deutschland werden letztere entsprechend als „Assistenz” oder „Operator“ bezeichnet, aber oft missverständlich ebenfalls „Kameraleute” genannt. Wegen dieser Sprachverwirrung wird häufig in Kritiken oder Auszeichnungen die „Kameraführung” gelobt, obwohl dabei die „Licht- und Bildgestaltung” und nicht der „Operator” gemeint war. Entsprechend gab es in Deutschland auch keine sprachliche Unterscheidung zwischen den (Chef-) „Kameraleuten” (DoP) und den „Kameraleuten” eines gelegentlichen Zusatzteams (second unit). Die deutsche Sprache tut sich leider schwer mit diesem Beruf.

Mit der Konzentration auf den Begriff „Kinematografie“ als Berufsbezeichnung wurde auch der  Verbandsname des BVK (früher: Bundesverband Kamera, jetzt: Berufsverband Kinematografie) angepasst.

3. GRUNDSÄTZLICHES ZUM BERUFSBILD

3.1 AUFGABENBEREICH

Aufgabe der Kinematograf:innen/DoP ist die eigenschöpferische und eigenverantwortliche Bildgestaltung von Filmwerken in Zusammenarbeit mit der Regie und ggf. auch mit der Ausstattung. Sie umfasst sowohl die künstlerische Gestaltung als auch in weiten Teilen die technische Leitung bei der Filmherstellung.

Unabhängig davon, ob „Filme“ auf Film oder mit unterschiedlichen analogen oder digitalen Kamerasystemen, Speichermedien und Workflows aufgenommen werden, wird hier traditionell weiterhin von „Film“ gesprochen.

Im Rahmen eines Kamerateams bestimmen und überwachen die Kinematograf:innen die technischen- und gestalterischen Parameter der Aufnahmen, insbesondere Beleuchtung, Bildkomposition, Kamerabewegung, Farbgestaltung und Kameraführung (die meist von ihnen selbst, oft auch von einem oder mehreren Operators bzw. Zusatzteams übernommen werden).

Vorrangig mit der Leitungsposition der DoP im Bereich der Bildgestaltung befasst sich dieses Berufsbild.

3.2 Kreativität trotz anspruchsvoller Technik

Die Bildgestaltung eines Filmes ist unverwechselbares Ergebnis schöpferischer Phantasie. Die Kinematograf:innen/DoP üben dabei bestimmenden und das Gesamtwerk prägenden gestalterischen Einfluss aus. Trotzdem wurde dieser Beruf vielfach und fälschlich als überwiegend technisch angesehen, weil der Umgang mit komplexem technischem Gerät zunächst augenfällig ist. Die Technik wird hingegen von eigens qualifiziertem Personal bedient, die Bildgestalter:innen sind damit nur am Rande befasst.

In den Kindertagen des Filmes waren die „Leute mit der Kamera“ zwar oft Konstrukteure eigener Filmgeräte, aber vor allem die eigentlichen Filmemacher:innen, also „Kameraleute“ und Regie in einer Person. Erst später kam zu deren Entlastung und zum „In-Szene-setzen“ der zunehmend beschäftigten Schauspieler:innen die Regie hinzu. Inzwischen hat sich dieses Verhältnis leider umgekehrt.

Die technischen Grundlagen der Kinematografie sind umfangreicher als bei der Regie, gleichzeitig aber ermöglichen die rasant wachsenden digitalen Technologien der Kinematografie einen Reichtum künstlerischer Ausdrucksformen, von denen man früher nur träumen konnte.

3.3 Der/Die Kinematograf:in im kreativen Team

Generalisierende Feststellungen über den gestalterischen Anteil der Kinematograf:innen im kreativen Team (Drehbuch, Regie, Kinematografie sowie Szenen-/Kostümbild und Schnitt) müssen von spezifischen, berufstypischen Tätigkeitsmerkmalen ausgehen.

So gibt es wesentliche Bereiche, in denen Einfluss, Verantwortung und Bestimmung durch die Kinematograf:innen in aller Regel gegeben sind. Da sich die Einflussbereiche in einer künstlerischen Teamarbeit aber nie exakt abgrenzen lassen, sind Überschneidungen in Randbereichen die Regel. Bei der Bildgestaltung ergeben sich solche Überschneidungen sowohl im Bereich der Ausstattung als auch in besonderem Maße mit der Regie:

Die grundsätzliche Aufgabe der Regie liegt in der szenischen Gestaltung (Inszenierung), die der Kinematografie in der visuellen Gestaltung eines Filmwerkes. Der Übergang jedoch ist fließend, gelegentlich beeinflusst die Kinematografie die Inszenierung wie die Regie die Visualisierung. Der Grad dieser gegenseitigen Beeinflussung ist persönlichkeitsbedingt, er ist gezeichnet von Erfahrung, Vertrauen, Arbeitsmethodik und auch dem „Ego“ der Beteiligten. Jedoch ist deren Arbeit nicht frei bestimmt, sie alle unterliegen einer „Weisung“: Den Vorgaben und der Verantwortung dem Drehbuch gegenüber. Die Interpretation des Stoffes durch die Regie sollte dann für die übrigen kreativen Bereiche verbindlich sein, um zu einer einheitlichen Sicht aller Beteiligten zu gelangen. Im Rahmen dieser stoffbedingten Vorgaben werden die Kinematograf:innen dann eigenverantwortlich tätig.

3.4 Fachautorität und Kompetenz

Die visuelle Gestaltung des Films erfolgt auf der Basis der kreativen und technischen Kompetenz der Kinematograf:innen. Ihre Entscheidungen, zunächst basierend auf visueller Intuition und konzeptioneller Vorarbeit, gewinnen erst mit der Aufnahme Gestalt. Gleichzeitig aber obliegt ihnen bereits während der Aufnahme die erste kritische Kontrolle des fertigen Produktes, in dem die kreative wie handwerkliche Arbeit des gesamten Teams von oft über 100 Personen wie durch ein Nadelöhr zusammengeführt werden. In ihrer Verantwortung liegen damit auch die Emotionen des Publikums, ihre Aufmerksamkeit, Identifikation, Freude, Trauer oder ihre Angst. Erfolg oder Misserfolg eines Filmes werden deshalb durch ihre Entscheidungen maßgeblich beeinflusst.

3.5 Urheberschaft

Die gestalterische Leistung der Kinematograf:innen führt als „persönliche geistige Schöpfung“ (i.S.d.UrhR) zunächst zur Urheberschaft an ihrer Arbeit. Durch die Prägung des Gesamtwerkes durch die Bildgestaltung entsteht für die verantwortlichen DoP auch eine Miturheberschaft an dem Filmwerk selbst, in der Regel zusammen mit der Regie.

(Im Falle einer eigenständig arbeitenden Second Unit könnte deren Leistung nach neuester Rechtsprechung hier auch einbezogen werden.)

Die Anerkennung der Urheberschaft war seit 40 Jahren Aufgabe und vorrangiges Ziel des BVK. Inzwischen konnte diese Anerkennung nicht nur branchenweit durchgesetzt werden, sondern ist auch durch den Gesetzgeber und höchste Gerichte bestätigt worden. Darauf gegründete Erlösbeteiligungen und Nutzungsvergütungen für Kinematograf: innen/DoP konnten, neben ihrer bereits 1983 erreichten Mitgliedschaft in der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und einer 2002 erfolgten gesetzlichen Bestätigung , inzwischen durch mehrere abgeschlossene „Gemeinsame Vergütungsregeln“ (GVR) gesichert werden.

Deutschland und der BVK spielen damit weltweit eine Vorreiterrolle, allerdings konnte in vielen Ländern eine ähnliche gesetzliche oder zumindest faktische Anerkennung trotz großer Bemühungen noch nicht erreicht werden. In den USA und Commonwealth-Ländern ist die Urheberschaft durch das dortige Copyright-Rechtssystem gesetzlich den Produktionsgesellschaften zugeordnet. („work made for hire“)

3.6 Titelnennung

Entsprechend ihrer Bedeutung werden die leitenden Kinematograf:innen/DoP regelmäßig in den „Credits“ im Vor- oder Nachspann, im sog. „kreativen Block“ (Regie, Kinematografie, Drehbuch, Schnitt, Ausstattung, Musik etc.) aufgeführt, in der Rangfolge nahe der Regie. Neben der bisher leider häufig vorgegebenen, aber missverständlichen Bezeichnung „Kamera“ wird zunehmend der Begriff „Bildgestaltung“ verwendet. In den angelsächsischen Ländern wird hierfür regelmäßig die Bezeichnung „Director of Photography“ benutzt. Dabei ist aus rechtlichen Gründen zwischen der allgemeinen Berufsbezeichnung Kinematograf:in und der Chefposition in einer Filmproduktion als DoP zu unterscheiden, wobei letztere die Grundlage für eine Miturheberschaft am gesamten Filmwerk bildet.

4. TÄTIGKEITS- UND VERANTWORTUNGSBEREICH

Dieser Bereich umfasst alle Stadien der Filmherstellung, aufgegliedert nach den Produktionsphasen Vorbereitung, Drehzeit und Endfertigung/Postproduktion. Von frühen Vorgesprächen bis zur Endabnahme des Filmes zählen die Kinematograf:innen zu den am längsten Beschäftigten eines Filmprojektes.


4.1 VORBEREITUNG

Diese Phase beginnt in der Regel mehrere Wochen oder gar Monate vor Beginn der Drehzeit, hier werden die künstlerischen Grundlagen für die Gestaltung des Filmes erarbeitet und die erforderlichen finanziellen, technischen und personellen Entscheidungen getroffen.

4.1.1 Einarbeitung in das Drehbuch

Erste Bekanntschaft mit dem Stoff, Lesen evtl. Grundlagenliteratur oder eines zugrunde liegenden Romans, Entwickeln einer visuellen Struktur, Gedanken über das Filmformat (z.B. CinemaScope), Anfertigung von Auszügen, Überprüfung besonderer Probleme und spezieller Techniken zu ihrer Lösung.

4.1.2 Vorgespräche mit der Regie

über Drehbuch und evtl. Änderungen, dramaturgische und stilistische Konzeption, Erzählstruktur und besondere Gestaltungselemente, aber auch über Aufnahmeverfahren, Zeitplan, Budget, Casting etc.

4.1.3 Vorgespräche mit der Produktion

über Budget, Drehplan, Aufnahmeverfahren, Workflow, Postproduktion, Technik und Personal.

4.1.4 Vorgespräche mit der Ausstattung

über Drehorte, Originalmotive und Bauten sowie deren künstlerische und technische Einrichtung, Qualität und Anordnung natürlicher und künstlicher Lichtquellen sowie die generelle Farbgestaltung.

4.1.5 Vorgespräche mit Kostüm- und Maskenbildner

zur Abstimmung von Kostümstoffen und -farben sowie der Schminktechnik.

4.1.6 Motivsuche und -bestimmung

Auswahl und Festlegung der Schauplätze zusammen mit Regie, Ausstattung und Produktion. Hier werden am Motiv bereits erste Gespräche über notwendige Veränderungen, Blickrichtungen, Szenenauflösung und einzelne Einstellungen geführt sowie erste Ansätze der Lichtkonzeption entwickelt. Dabei werden bereits wesentliche Entscheidungen für die Dreharbeiten getroffen.

4.1.7 Bestimmung von Aufnahmeverfahren, Workflow und technischer Ausrüstung

Entscheidung über Technik, Formate und „workflow“, den „Look“ des Films, ggf. mit Einsatz von HDR und HFR, Kameras, Objektive, Speichertechnik, Grip, Beleuchtung sowie Labor, SFX und Postproduktion.

4.1.8 Bestimmung des technischen Personals

Kamerateam, Zusatzteams, Bühnentechnik, Beleuchtung, DIT (digital imaging technician), zunehmend Einsatz eines SFX-Supervisors und Festlegung der jeweiligen Aufgaben.

4.1.9 Probeaufnahmen

von Cast, Kostümen, Schminktechnik, Dekorationen, Bauten und Motiven.

4.1.10 Testaufnahmen

zur Überprüfung von Kameras, Objektiven, Aufnahmesystemen sowie des inzwischen überwiegend digitalen Produktions- und Postproduktionsworkflows.


4.2 Drehzeit

In dieser Zeit, je nach Art der Produktion von höchst unterschiedlicher Dauer, erfolgen die Aufnahmen, Szene für Szene, Einstellung für Einstellung, meist in nicht-chronologischer Reihenfolge:

4.2.1 Szenenauflösung

Dies ist eine der wesentlichen Phasen der Filmgestaltung: Zur dramatischen und optischen Erfassung der Handlungsabläufe werden die einzelnen Szenen zunächst in eine Abfolge unterschiedlicher Einstellungen und Kamerabewegungen aufgelöst.

Bereits hier entscheiden Regie und Kinematografie gemeinsam über die Szenenstruktur. Aus welcher Sicht soll das Publikum die Szene erleben, aus der Sicht z.B. von Täter oder Opfer? Soll es eine schnelle Abfolge vieler kurzer Einstellungen werden oder eine langsame, gleitende Kamerafahrt durch die Szene, soll sie hautnah mit Großaufnahmen erzählt werden oder distanziert mit weiten Totalen, sollen Schock-Schnitte eingesetzt oder besondere Kamera- und Lichteffekte erreicht werden? Bereits hier werden Ablauf, Timing, Rhythmus und „pace“ von Szenen und Komplexen festgelegt und damit die spätere Montage bereits in wesentlichen Elementen vorbestimmt.

4.2.2 Festlegung der einzelnen Einstellungen

In Absprache mit der Regie bestimmen die Kinematograf:innen die einzelnen Einstellungen in Bezug auf folgende Parameter:

Perspektive und räumliche Wirkung, Illusion der (fehlenden) 3. Dimension, Kameraposition und -höhe (Unter- oder Obersicht, Größe oder Kleinheit, Macht oder Ohnmacht), Einstellungsgröße und Bildkomposition, Kamerabewegung (Dolly, Kran, Drohne, SteadiCam, Gimbal, Handkamera etc.), Objektivwahl (z.B. Tele oder Weitwinkel zum Zusammenführen oder Distanzieren einzelner Elemente, Zoom, aber auch historische Objektive mit besonderen Eigenschaften, z.B. „Bokeh“), Schärfe und Unschärfe, Tiefenschärfe (ausweiten, einengen, herausheben, betonen von Details).

Mit diesen optischen Parametern wird auch die visuelle und emotionale Rezeption des Publikums beeinflusst:

Dramaturgische und emotionale Wirkungen und Effekte, Timing, Suspense oder Entspannung.

Dramatische Unterstützung der „Stars“ in ihren Rollen, Aussehen, Präsenz und ggf. Alterskorrektur.

Visualisierung dramatischer und psychologischer Beziehungen zwischen den handelnden Personen. Charakterisierung von Räumen und Motiven und ggf. deren Anpassung, und Positionierung von Lichtquellen in der Szene.

4.2.3 Lichtgestaltung

Das Licht stellt eines der wesentlichen fotografischen Gestaltungsmittel dar. Durch den kreativen Einsatz von Licht und Schatten, Front-, Seiten- oder Gegenlicht, punktueller oder flächiger Beleuchtung, Härte oder Weichheit des Lichtes, Kontrast und Helligkeitsverteilung (z.B. high-key, low-key oder HDR) sowie Lichtfarbe und -bewegung ergeben sich auch hier ähnlich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten:

Dramaturgische, ästhetische und emotionale Atmosphäre,

Aussehen, Präsenz und dramatische Unterstützung der handelnden Personen,

Visuelle Gestaltung von Motiven und Bauten durch Atmosphäre, Raum- und Tiefenwirkung,

Konzentration auf Handlungsfläche, Betonung oder Unterdrückung szenischer Elemente,

Betonung von Jahres- und Tageszeiten oder zur Ortsbeschreibung (Wasser- und Lichtreflexe)

Simulation von z.B. Fahraufnahmen (bewegtes Licht) oder Wettererscheinungen (z.B. Blitze),

Spezielle Lichteffekte, auch außerhalb der Normbereiche von Farbe oder Belichtung.

Die Lichtgestaltung liegt grundsätzlich in alleiniger Verantwortung der Kinematografie, sie wird vielfach sogar als ihre wichtigste Aufgabe betrachtet, z.B. in England mit der Bezeichnung „lighting cameraperson“.

Den sog. Oberbeleuchter:innen („chief electricians“ oder „gaffer“) obliegen, entgegen der deutschen Bezeichnung, keine eigene Lichtgestaltung, sie organisieren und überwachen lediglich den Beleuchtungsaufbau nach den Vorgaben der Kinematograf:innen. Die Zusammenarbeit umfasst aber auch gestalterische Themen und Bereiche.

4.2.4 Farbgestaltung und Filterung

Farbeffekte können mit farbigem Licht, mit integraler oder partieller Filterung in der Kamera oder zunehmend auch in der digitalen Postproduktion erreicht werden, mit sog. „look-up-tables“ (LUT) kann jetzt der Look einzelner Szenen oder des gesamten Films vorbestimmt werden.

4.2.5 Photographische Spezialeffekte und Tricks

Früher entstanden optische Tricks vielfach direkt in der Kamera. Inzwischen ergaben sich fast unbegrenzte Möglichkeiten der kreativen Bildbearbeitung in der digitalen Postproduktion, die aber der Aufsicht und Kontrolle durch die DoP, ggf. in Zusammenarbeit mit dem VFX-Supervisor, unterliegen. Neuerdings gewinnt aber auch die „virtual production“ an Bedeutung, wobei auf oft raumfüllenden Video-Walls die Hintergründe in real-time in die Aufnahmen integriert werden. Damit wird die bisher externe Postproduktion wieder in den unmittelbaren Zugriff der Kinematograf: innen zurückgeführt.

4.2.6 Beurteilung und Auswahl des gedrehten Materials

Eine Vor-Auswahl des gedrehten Materials (der analogen oder digitalen Muster) erfolgt gemeinsam durch Regie, Kinematografie und Schnitt. Teilweise werden bereits bestimmte „takes“ ausgewählt, oft werden auch nur bestimmte Präferenzen angegeben und dem Schnitt die letzte Entscheidung überlassen.

4.2.7 Überwachung von Technik und Workflow

Die laufende Überwachung der technischen Geräte inkl. Testaufnahmen erfolgt meist durch die erste Kameraassistenz, die Überwachung des Produktions- und Postproduktions-Workflows obliegt den Kinematograf:innen/DoP, ggf. zusammen mit dem DIT oder dem SFX-Supervisor.

4.2.8 Führung und Weiterbildung

Viele Mitglieder des Kamerateams befinden sich auf einer Stufe ihrer Ausbildung, die zunächst ihrer derzeitigen Position im Team entspricht. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe der Kinematograf:innen, diese Personen auch für spätere höhere Positionen zu qualifizieren.

4.2.9 Budgetkontrolle

Die DoP tragen eine Mitverantwortung dafür, dass die Kosten ihres Bereiches den Budgetrahmen nicht unerwartet überschreiten. Dies setzt eine enge Zusammenarbeit mit der Produktionsleitung voraus.


4.3 Postproduction / Endfertigung

Nach Beendigung der Dreharbeiten ist dies die letzte Produktionsphase für den Abschluss von Schnitt, Trick, sowie analoger oder digitaler Bildbearbeitung. Bis zur Abnahme der endgültigen Kopien, des DCP (Kino) sowie des digitalen Masters für TV, DVD und Blu-ray obliegen den Kinematograf:innen noch folgende Aufgaben:

4.3.1 Spezialaufnahmen und Trick-

Überwachung von nachträglichen Zusatz-, Modell-, CGI-, SFX- und Trickaufnahmen, die häufig von gesonderten Teams oder Spezialisten durchgeführt werden. Im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung müssen die DoP auch hieran maßgeblich beteiligt sein.

4.3.2 Digitale Endbearbeitung / Postproduktion

Fast unbegrenzte Möglichkeiten ergeben sich durch die digitale Bildbearbeitung in der Postproduktion, sowohl bei digitalen Formaten wie auch im Filmbereich. Diese Palette neuer Ausdrucksmöglichkeiten ermöglicht den Kinematograf:innen/DoP früher undenkbare kreative Entscheidungen und Korrekturen weit jenseits der bisherigen Limitierung durch die Fotochemie.

4.3.3 Licht- und Farbbestimmung

Vor der Herstellung der Kopien oder des digitalen Masters erfolgt mit dem „Grading“ die letzte Licht- und Farb- und Kontrastabstimmung (HDR) in der Abfolge des Schnittes.

Dies sind die letzten Schritte und der Abschluss des fotografisch-gestalterischen Prozesses. Es ist deshalb unabdingbar, dass auch in diesen Phasen die verantwortlichen Kinematograf:innen/DoP die letzte Kontrolle ausüben.

4.3.4 Endabnahme

Kontrolle und fotografisch-technische Abnahme der Filmkopien bzw. des DCP sowie des Masters für TV, digitale Formate oder DVD/Blu-ray.

5. KINEMATOGRAFIE IM WANDEL DER ZEIT

Seit einem Jahrhundert wurden Filme auf analogem Film gedreht, zunächst in Schwarz-Weiß. Der fotochemische Prozess ermöglichte damals durch flexible Entwicklung mit unterschiedlichen Rezepturen sowie angepassten Kopierverfahren weitgehend individuelle Ergebnisse.

Mit der Einführung des Farbfilms änderte sich die Situation: Die Filmhersteller arbeiteten nach dem gleichen Prinzip, die Labors benutzten die gleiche Technologie. Der fotochemische Prozess war weitgehend standardisiert. Schon früh versuchten Kinematograf: innen, diese Zwänge zu umgehen. Um eine individuelle Bildsprache zu ermöglichen, experimentierten sie mit Tricks wie Vorbelichtung, forcierter bzw. reduzierter Entwicklung oder Bleichbadreduktion, die riskant und wenig effektiv waren.

Erst die Digitaltechnik brachte, zunächst in der Postproduktion, bald auch bei der Aufnahme einen Innovationsschub mit neuen Kameras verschiedener Hersteller und Systeme, mit neuen Objektiven, Aufnahmeformaten und Technologien wie HDR und HFR, neuen workflows und Produktionsprozessen in Richtung einer „virtual production“. die zu einer Entfesselung der kreativen Möglichkeiten der Kinematograf:innen/DoP, aber auch zu neuen Anforderungen im technischen und personellen Bereich führten.

Empfindlichkeit von Filmmaterial und Objektiven waren in der Anfangszeit noch gering, was zunächst einen hohen Beleuchtungsaufwand bedingte. Beginnend mit Kohlebogenlampen und Glühlicht, später mit Entwicklung der Halogen- und Gasentladungstechnik (HMI), schließlich der optoelektronischen LED-Technologie, optimierten sich Effizienz und Flexibilität der Leuchten und Lichtsysteme mit der Möglichkeit spontaner Anpassung von Intensität und Farbe, bis hin zu automatisierten Lichtwechseln in großen Studios, z.B. bei großen Shows. Hochempfindliche Kameras, die Aufnahmen sogar bei Mondlicht ermöglichen, und die effektive LED-Beleuchtungstechnik unterstützen jetzt sogar ein umweltschonendes „Green Filming“.

Zunächst als Jahrmarktsattraktion bestaunt, fand die Kinematografie bald ihren Weg in den dokumentarischen und erzählerischen Bereich. Um Szenen in entfernten oder unzugänglichen Orten auch im Studio filmen zu können, wurde zunächst mit gemalten Hintergründen oder auf einem Laufband die vorbeiziehende Landschaft nur notdürftig simuliert. Zunächst für Szenen in Autos oder der Eisenbahn wurde die Projektion realer Filmaufnahmen (als Rück-, später auch Frontprojektion) entwickelt, die Jahrzehnte ein Standardverfahren blieb. Noch in der Analogzeit entstand bereits die Bluescreen Technik, die wegen mehrfacher Kopierschritte verlustreich war und häufig größere Negativformate (VistaVision, 65mm) erforderte. Diese Einschränkungen entfielen erst mit der digitalen Greenscreen Technik. In beiden Methoden konnten z.B. Szenen im Studio nachträglich in beliebige Hintergründe eingesetzt werden. Diese aufwendigen Verfahren werden jetzt zunehmend durch hochaufgelöste LED-Screens abgelöst, die, analog zur früheren Rückprojektion, die Kombination von Vorder- und Hintergrund wieder direkt bei der Aufnahme ermöglichen. Diese Technik führte schließlich zu der Entwicklung großer Video-Walls oder kugelförmiger „LED-Domes“, in denen große Szenen in realen oder fiktiven Welten in allen Blickrichtungen möglich werden, ohne das Studio zu verlassen. Die Lichtstärke dieser LED-Domes ist dabei so groß, dass sie gleichzeitig auch zur interaktiven Beleuchtung des Vordergrundes dienen können. Damit wird die bisherige mehrstufige Postproduktion wieder in das Studio und, mit neuen Partnern, in den unmittelbaren Bereich der Kinematografie integriert.

In allen o.g. Verfahren der Kombination separater Vorder- und Hintergründe, entstehen neue Aufgaben mit der Angleichung der fotografischen Parameter beider Ebenen: die Abstimmung von Sichtpositionen und -achsen, Größen, Perspektiven und Blickrichtungen, aber besonders die kongruente Lichtgestaltung beider Ebenen in allen relevanten Parametern, auch mit synchronisierten Lichteffekten und -bewegungen (interactive lighting).

Eine weiterer Technologiesprung durch die Erhöhung der Pixeldichten der Bildsensoren führte zu entsprechend höheren Auflösungen der Kameras und ermöglichte neue Standards wie zunächst HD, 2K und 4K. Größere Bildformate und entsprechende Objektive ermöglichen inzwischen sogar den 8K-Standard. Auf den hochaufgelösten großen Flachbildschirmen unterliegen solche Bilder aber einer zunehmend detailkritischen Betrachtung, was wiederum zu einem erhöhten Anspruch an die Präzision der Arbeit der Kinematograf: innen geführt hat.

Die kreative Nutzung der neuen Technologien führt zu einer deutlichen Erweiterung der kinematografischen Palette, aber auch zu einer intensiveren Zusammenarbeit mit anderen Bereichen, z.B. den SFX-Supervisors. Trotz des erweiterten Arbeitsfeldes, der erhöhten technischen Ansprüche an die Kinematografie sowie der Zunahme der dabei involvierten Arbeitsbereiche und Personen liegt die letzte Verantwortung für die fotografische Gestaltung des Gesamtwerkes unverändert bei den Directors of Photography, die damit auch ein gesteigertes technisches, organisatorisches und ökonomisches Gewicht in einer Filmproduktion erhalten.
Der Vergleich mit dem Produktionsdirektor eines Industriebetriebes wäre hier durchaus möglich.

6. Ausbildung

Früher erfolgte die Ausbildung überwiegend in der Praxis, wobei sich folgende Phasen als besonders sinnvoll erwiesen haben:

  • Fotografieausbildung (als Vorstufe),
  • Praktikum in einem Postproduktionshaus oder Labor zum Einblick in die jeweiligen Arbeitsabläufe,
  • Praktikum in einem Geräteverleih zur Einweisung in verschiedene Kamera- und Beleuchtungssysteme,
  • mehrjährige Tätigkeit in verschiedenen Kamerateams in aufsteigenden Funktionen.

Inzwischen gibt es europaweit eine Vielzahl erfolgreicher Ausbildungsstätten oder Filmhochschulen mit den Studiengängen Kamera, Bildgestaltung bzw. Kinematografie. In Deutschland gibt es solche Institutionen (die aber keine Ausbildung für den Assistenzbereich anbieten) in fast jedem Bundesland.

Zumeist bieten diese eine umfassende Ausbildung, die Digitalisierung bedingt aber auch neue Lerninhalte. Vor Studienbeginn ist es ratsam, sich über die jeweils unterschiedlichen Ausbildungsgänge und deren Voraussetzungen und Ziele zu informieren. Wichtig ist jedoch vor oder begleitend zu jedem Studium eine praktische Tätigkeit an einem Filmset, ausreichende Erfahrung im kommerziellen Produktionsalltag ist unverzichtbar.

Generelle Voraussetzungen sind gutes Sehvermögen, physische und psychische Belastbarkeit, zeitliche und örtliche Flexibilität, gute Allgemeinbildung, technisches Verständnis und ausgeprägtes Stilgefühl, aber auch Durchsetzungsvermögen, Organisationstalent und Führungsqualitäten. Hilfreich könnten zur Abrundung auch Kenntnisse in Kunstgeschichte, Theaterwissenschaften oder Erfahrungen in anderen künstlerischen Bereichen sein.

Unverzichtbar für den Erfolg ist jedoch ein unbedingter Wille zu diesem Beruf, verbunden mit der Bereitschaft, ggf. auf eine ausreichende soziale Absicherung, geregelte Arbeitszeiten oder zeitweise auch auf ein normales Familienleben zu verzichten.

7. BERUFSAUSÜBUNG

7.1 FREISCHAFFENDE TÄTIGKEIT
Wechselnde, zeitlich begrenzte Beschäftigung bei Film- und Fernsehproduktionen im In- und Ausland.
In Deutschland erfolgt diese überwiegend mit zeit- oder projektbezogenen Verträgen als Arbeitnehmer:in unter Abzug von Steuern und Sozialversicherung, wobei hier juristisch nur die Tätigkeit bzw. Arbeitsleistung, und nur begrenzt deren qualitatives Ergebnis geschuldet ist.
Alternativ ist auch eine Tätigkeit auf der Basis von Werkverträgen möglich, wobei aber die soziale Absicherung entfällt und gleichzeitig das Haftungsrisiko, z.B. für Mitarbeitende, das Equipment oder sogar für die Qualität der eigenen Arbeit erheblich steigt. Das kann bis zur Verweigerung der Bezahlung führen – oder böswillig dazu missbraucht werden (allerdings dürfen dann auch die entstandenen Aufnahmen nicht genutzt werden). Deshalb ist bei dieser Vertragsgestaltung besondere Vorsicht geboten.
Die Aufstiegsmöglichkeiten sind unbegrenzt, am freien Markt sind Spitzenpositionen zu erreichen. Das wirtschaftliche Risiko ist groß, es wird bestimmt von Angebot und oft wechselnder Nachfrage. Gesetzlich oder tariflich geregelte Arbeitsbedingungen werden häufig nicht eingehalten, extrem lange Arbeitszeiten sind vielfach üblich.
Der BVK Berufsverband Kinematografie tritt seit Jahren mit Nachdruck für eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen und sozialer Absicherung ein.


7.2 FESTANSTELLUNG
bei Fernsehanstalten oder Produktionsfirmen. Wirtschaftliches Risiko und Karrierechancen sind begrenzt, beim Fernsehen besteht meist eine gute soziale Absicherung. Die Arbeitsbedingungen sind tariflich geregelt, die Zahl der Festanstellungen geht aber in allen Bereichen zurück.

8. Nachwort

Für die Kinematografie gibt es, wie bei fast allen künstlerischen Berufen, kein behördlich festgelegtes Berufsbild. Der Verfasser hat deshalb zusammen mit dem Berufsverband Kinematografie BVK bereits 1983 auf Basis aktueller Arbeitsabläufe dieses Berufsbild entwickelt und seitdem laufend aktualisiert. Mit dem Bundesverband Regie (BVR) wurde es vor der Veröffentlichung abgestimmt, um Diskussionen aufgrund unterschiedlicher Einschätzung von Grenzbereichen zu vermeiden. Dieses in mehrere europäische Sprachen übersetzte Berufsbild dokumentiert nicht das Wunschdenken eines Berufsstandes, sondern anerkannte berufstypische Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche der Kinematograf: innen bei Film- und Fernsehwerken.

© Jost Vacano BVK/ASC 1983,
aktualisiert 1992, 1995, 2006, 2007, 2013 und 2018
Definition und Prolog: Vorstand des BVK 2013
Gendergerechte Überarbeitung 2021